Farben und ihre Formen können den Menschen seelisch bewegen.
Das ist
heute Allgemeinwissen und -erfahrung, wird in der Psychologie erforscht und
in Diagnose und Therapie vielfältig angewandt, auch in der anthroposophischen.
Farbgestaltung, zunächst Seeleneindruck, kann aber auch tiefer ins funktionell-
leibliche Geschehen wirken.
Erröten vor Freude, Erbleichen im Schrecken sind extreme Beispiele, wie die Seele etwa im Blutkreislauf mitwirkt.
Mit
diesem Zusammenhang, den die Psychosomatik erforscht, arbeitet die anthroposophische
Maltherapie hauptsächlich:
Sie bietet der Seele Eindrücke, Bildungen,
Handlungen an, die heilend wirken auf krankhafte Abweichungen im Funktionellen,
seien diese akut oder chronifiziert.
Bei psychiatrischen Erkrankungen ergänzt
sie die meist nötige medikamentöse Therapie, baut an gesunden Seelenimpulsen
oder pflegt sie.
Therapeutische Möglichkeiten
Die folgenden Beschreibungen
aus dem Farb-, Form- und Leibesgeschehen sind summarisch. Im Einzelfall
spielen mehrere Faktoren in die Entscheidung hinein, mit welchen Farben
und Formbewegungen
augenblicklich gearbeitet wird, wie etwa Krankheiten, Konstitution, Temperament,
Tagesform, Neigungen und Fähigkeiten der PatientInnen.
Jede Farbe bewegt
die Seele und ihren funktionellen leiblichen Untergrund anders:
- Rot wärmt,
regt den Blutkreislauf an, beschleunigt die Atmung. Es ist dem aufbauenden
Stoffwechselpol des Menschen nahe und wird in eher chronifizierten, kältegeprägten
Krankheiten wichtig sein. Es verstärkt aber auch entzündliche Prozesse.
-
Gelb
durchlichtet und weitet, macht die Sinne wach, regt ebenfalls Atmung und
Kreislauf an. Es kann auch Überreizung und Nervosität hervorrufen.
-
Blau beschattet, beruhigt, verinnerlicht, kann auch verdichten, eingrenzen
und formen. Es ist verwandt den abbauenden, Bewusstsein tragenden, formenden
Prozessen im Leib (Nervenleben) und kann sinnvoll eingesetzt werden, wo
solche Kräfte fehlen.
-
Grün ist physiologisch und seelisch eine Farbe
des mittleren, ruhigen Ausgleichs. Sie bindet und stabilisiert Extreme,
wirkt beispielsweise günstig bei Entzündungen.
-
Orange vereint Wärme
und Licht, regt damit die Körperfunktionen an und wirkt im Seelischen
stärkend, aufbauend, ermutigend.
-
Violett in seiner belebten Dunkelheit
kann Erstarrtes durchwärmen und Feuriges befestigen. Als Lila trägt
es eine milde, erwärmte Weite in Seele und Leib.
Kombinationen von Farben
können neben- oder nacheinander eingesetzt werden: Komplementärklänge,
z.B. gelb-violett, erzeugen eine Spannung, die anregend auf die Leibesfunktionen
wirkt, aber auch den Gefühlsmenschen herausfordern kann, in der Spannung
aktiv Ausgleich zu schaffen. Nachbarklänge bringen eine einheitliche
Stimmung und Wirkung.
Farbwege schaffen allmähliche Verwandlung: Etwa
jener aus einer subjektiv sympathischen Farbwelt in eine ungeliebte, aber
gesundende hinein, kann im stetigen Herantasten über Nachbarfarben erleichtert
werden, z.B. Blau > Grün > Gelb > Orange > Rot.
Formen und
Motive:Bei den Formen, die sich in einem spontanen Werk diagnostisch aussprechen
oder die als heilende den PatientInnen angeboten werden, achtet die anthroposophische
Kunsttherapie zuerst auf die Qualität der Bewegungen, aus denen die Form
entsteht und auf deren Entsprechungen im leiblichen Geschehen: Schnelle
quirlende Bewegungen zeigen etwa die Dynamik von Blutprozessen. Luftig-
und wässerig-bewegliche
Rhythmen sind Atemvorgängen und langsameren Stoffwechselvorgängen,
z.B. der Darmperistaltik, verwandt. Lineare, eher erstarrende Gebilde weisen
zum Nerven-Sinnesleben. Die konstitutionelle Betonung einer dieser Tendenzen
erscheint im Seelischen als cholerisches, sanguinisches, phlegmatisches
oder melancholisches Temperament und kann in der Therapie durch die mangelnden
Tendenzen ergänzt werden. So kann etwa ein cholerischer Mensch mit Bluthochdruck
im Malen von kristallinen oder wellenden blau-grünen Flächen Entspannung
finden und sich diese spielerisch anerziehen lernen: Hilfe zur Selbsthilfe.
So können geerdete aufsteigende Bewegungen bei depressiven Schwere-Erlebnissen
helfen, ausweitende bei funktioneller oder seelischer Verengung, z.B. Angina
pectoris, kristalline Formen bei Entzündungen, hüllende bei Auflösungserscheinungen,
z.B. Schizophrenie usw.
Das Begriffliche und Motivische im Bild ist dem
Leibgeschehen am fernsten. Es wird aber, wo sinnvoll, gemäss den beschriebenen
Farb- und Formkriterien gezielt eingesetzt. Hier bietet die Natur unendliche,
lebendig-wahre
Entsprechungen zum Leibes- und Seelen-Geschehen, sei es in den Elementen
von Wärme, Licht/Luft, Wässerigem und Erdigem, sei es in Tages-
und Jahreszeiten und in Wetterwechseln, mit Landschaften, mit der Vielfalt
der
Pflanzen und ihrer Verwandlungsbewegungen, mit Tiercharaktern und Menschengestalten
usw. Vorbilder aus Malerei, Musik oder Dichtung, z.B. Märchen, können
der Seele ebenfalls lebendig-wahre Gesetzmässigkeiten oder freudige Anregung
entgegenbringen.
Techniken: Nass-in-Nass-Aquarellieren hilft Verfestigtes in Leib und Seele aufweichen und bewegen. Das Malen mit Pflanzenfarben fördert eindrücklich die aufbauenden und harmonisierenden Kräfte im Leib und ist bei allgemeiner Schwäche und bei Augenkrankheiten besonders wichtig. Trockenes Arbeiten (Pastellkreiden, Wachsblöcke, Farbstifte) gibt mehr Widerstand, bringt die Körpersäfte weniger in Bewegung. Hell-Dunkel-Zeichnen mit Kohle, Graphit usw.: Mit dem Verzicht auf Farbe wird das "vollsaftige" Mitschwingen der Seele gedämpft zugunsten der formenden Kräfte, an denen gearbeitet wird. Das Schraffieren erzeugt die Fläche, indem Linie parallel neben Linie gelegt wird. Es wirkt streng in seiner kristallinen Struktur, fördert ein starkes Ausrichten und Konzentrieren der Seele sowie ein Straffen und Durchlichten im Leib. Es kann auch farbig verwendet werden. Flächiges Abzeichnen, vor allem von Licht-Schatten-Verhältnissen, richtet die Seele auf das objektive Wahrnehmen der Aussenwelt. Es hilft Menschen, deren Seelenleben zu subjektiv, chaotisch oder phantastisch geworden ist, oder deren vegetatives Nervensystem belastet ist. Lineares "dynamisches" oder "Formenzeichnen" konzentriert sich schliesslich rein auf die Bewegungswelt, wie sie im Abschnitt über die Formen berührt worden ist: Sammelnde, weitende, spiegelnde, rhythmische und viele andere Formen werden gemäss dem Therapieziel möglichst regelmässig ausgeführt und beeinflussen damit das körperliche Geschehen.
Zum Setting:
Anthroposophische Maltherapie findet einzeln oder in Kleingruppen
mit 2 bis 4 individuell betreuten PatientInnen statt.
Die Therapieeinheiten
dauern 30 bis 120 Minuten, je nach Gesundheitszustand der PatientInnen
und äusseren
Umständen.
Jedes Alter wird versorgt.
Indikationen/Anwendungsgebiete:(aufgrund
praktischer Erfahrungen, nicht abschliessend)
- Chronische Entzündungen,
Verhärtungs- und Ablagerungsprozesse: z.B. Rheuma, Fibromyalgie/
-
Fatigue-Syndrom, Multiple Sklerose, Parkinson
-
Rehabilitation bei Hirntrauma,
Apoplex usw.
-
Präkanzerose, Krebs
-
Funktionsstörungen von Atem,
Herz und Kreislauf: z.B. Asthma, Angina pectoris, Rhythmusstörungen,
Hypertonie, Hypotonie usw.
-
Drüsenstörungen: z.B. Hyperthyreose,
Meulengracht, Diabetes usw.
-
Psychosomatische Erkrankungen: z.B. Colitis,
Crohn, Ulcus
-
Hautkrankheiten: z.B. Neurodermitis
-
Autoimmunerkrankungen:
z.B. Aids
-
Empfindungsstörungen, Schwindel
-
Essstörungen: z.B.
Anorexie, Bulimie, Adipositas
-
Sucht
-
Erschöpfungszustände, Schlafstörungen
-
Lebenskrisen, Schock
-
Alle psychiatrischen Erkrankungen
- Entwicklungsstörungen
-
Heilpädagogik: z.B. Autismus, Epilepsie
Diese Liste hat die Indikationen
mit der Liste des Plastizierens gemeinsam, welche auch mit den formenden
Kräften
des Zeichnerischen behandelt werden können. KontraindikationenAuflösend-wässerige
Techniken sollten bei akuten Entzündungen und seelischen Auflösungsprozessen,
z.B. Psychosen, nicht verwendet werden. (Zit: Georg Hegglin Mal- und Plastiziertherapeut,
SVAKT 4144 Arlesheim, 1998)
Links zu Ausbildungsinstitutionen:
SVAKT Schweiz. Verband für anthroposophische Kunsttherapie
Wegmann Klinik
Verbände:
X
Online - Texte:
X
Literatur:
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