Fachfragen Psychotherapie:
Gestalttherapeutische Erklärungsmodelle
Gestalttherapeutische Erklärungsmodelle



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Hier finden Sie in Kürze Literatur-Hinweise


Im Unterschied zum intrapsychischen Modell der klassischen Psychoanalyse begreift die
Gestalttherapie jede menschliche Funktion als Wechselspiel in einem
Organismus/UmweltFeld
(PERLS F. S., HEFFERLEIN R., GOODMAN P. (1979): Gestalttherapie. Lebensfreude und
Persönlichkeitsentfaltung. Bd. I. Stuttgart)
Als zentraler Begriff fungiert innerhalb der Gestalttherapietheorie der Begriff des
Selbst, wobei das Selbst als Funktion der schöpferischen Anpassung im
Organismus/UmweltFeld
definiert wird. Psychische "Störungen" werden als
ursprünglich sinnvolle Verteidigungsmaßnahmen in einer schwierigen
Organismus/UmfeldGesamtkonstellation
aufgefasst. Die Verfestigung und
Generalisierung solcher Verhaltensmuster verweist dann auf einen blockierten
Wachstumsund
Anpassungsprozeß.
PERLS (zit. AMENDTLYON,
N.: Mit Ihnen schreibe ich heute Geschichte. Depressive Prozesse in der Integrativen Gestalttherapie. Aus
HUTTERERKRISCH,
R., LUIF, I., BAUMGARTNER, G. (Hrsg.): Neue Entwicklungen in der Integrativen Gestalttherapie. 1999; S. 151)
"beschreibt das "Depressionsspiel" als TopdogUnderdogInteraktion,
als neurotische
Persönlichkeitsspaltung, die sowohl innerhalb einer Person oder in einem
zwischenmenschlichen Arrangement vorkommen kann. Solche Arrangements
widerspiegeln die Manipulation des Anderen, um die eigenen Bedürfnisse befriedigen
zu können, und damit die Vermeidung ganz bestimmter Gefühle. Der dem strengen
Gewissen ähnliche Topdog verlangt vom Underdog Verhaltensweisen, die ihn
überfordern und die er aus Angst vor Liebesverlust oder Bestrafung trotzdem zu erfüllen
versucht. Hier demonstriert Underdog ein Selbstbild von Hilflosigkeit, Inkompetenz und
Niedergeschlagenheit. Diese polaren Gegenteile werden projiziert, erreichen das
Gewahrsein des Menschen nicht und können daher weder voll erlebt noch ausgedrückt
werden. Schließlich arbeitet der Konflikt als unerledigte Situation weiter: Mit
aufgeteilten Rollen bekämpft das Individuum entweder sich selbst oder seinen
projizierten Gegenpol. Vermieden wird das unmittelbare Erleben der eigenen
Bedürfnisse und deren direkte Erfüllung durch die Manipulation der eigenen Person und
der anderen."
Weiters beschreibt PERLS (zit. AMDENDTLYON,
N. 1999:siehe oben; S. 154): "Die frühkindliche
Entwicklung eines Menschen ist nicht phasengerecht gelaufen: er hatte entweder keine
oder nur mangelhafte Gelegenheit, ein ausgewogenes und integriertes Gefühl bzw. Bild
von sich selbst zu entwickeln. Die wichtigen Bezugspersonen waren entweder nicht im
ausreichenden Maß oder stark ambivalent präsent und die Interaktion z. B. zwischen
dem Kind und seinen Eltern hat nicht zur gesunden Selbstregulierung und zu einem
integrierten Selbst geführt. Bei der Vermittlung von Liebe, Anerkennung und Selbstwert
sind Störungen aufgetreten. Es weist sehr viel darauf hin, dass sich diese Störung der
Interaktion zwischen Eltern und Kind auf die physischen, gefühlsmäßigen und
symbolischen Komponenten der Nahrungsaufnahme bezieht. Die Fütterung kann zu
selten stattfinden, es kann dem Kind zu viel oder wenig sein, das Essen kann dem Kind
regelrecht aufgedrängt werden. Ein Kind kann zu allen möglichen Anlässen Nahrung
erhalten, egal ob es hungrig ist oder nicht: wenn es schreit, weil es nass oder schmutzig
ist, ihm zu kalt oder zu heiß ist, weil es schlecht geträumt hat oder aus anderen Gründen
Angst hat. Die Fütterung kann liebevoll oder mechanisch ablaufen. Frustrationsund
Versagenserlebnisse in dieser oralen Phase der frühkindlichen Entwicklung tragen zu
depressiven Prozessen bei."
MELNICK und NEVIS (zit. AMDENDTLYON,
N. 1999:siehe oben; S. 154) "orten die neurotische
Depression in der Phase "Mobilisierung der Energie". Sie meinen, dass jemand im
depressiven Zustand sich sehr schwer tut, die für eine befriedigende Handlung nötige
Energie aufzubringen. Die Ressourcen sind blockiert, die Person zeigt sich von
vornherein resigniert und die gesunde Aggressivität fehlt."
Für den klinischen Bereich hat PETZOLD (PETZOLD H. (1974): Psychotherapie und Körperdynamik. Paderborn)
eine Systematik entwickelt, die die unterschiedlichen Formen der Depression im
Rahmen der Gestalttherapie bezüglich der Genese unterscheiden hilft. PETZOLD
unterscheidet zwischen Defiziten, Störungen, Traumatisierungen und Konflikten.
Konflikte finden sich in allen Lebenssituationen und sind nicht per se beeinträchtigend.
Ein sehr hohes Ausmaß an sich widersprechenden inneren Impulsen oder Spannungen
des Selbst in einer belastenden Umfeldkonstellation kann jedoch zu einem
Reaktionsmuster führen, das alle Merkmale einer Depression beinhaltet. Analoges gilt
auch für einmalige Situationen, wie Schocks und traumatische Erfahrungen. Störungen
hingegen verweisen auf eine lang anhaltende (unlösbare) Konfliktsituation in der
Vergangenheit des Klienten. Die Therapie wird sich hierbei auf das Wiedererleben der
damaligen Szenen konzentrieren, um zu einer Umorientierung inklusive der Feisetzung
neuer Verhaltensund
Erlebnismöglichkeiten zu kommen.
Besonderes Augenmerk verdienen Depressionen, die aufgrund besonders früher Defizite
wie z. B. fehlender Stimulierung im Körperkontakt, im visuellen Bereich, in fühlender
emotionaler Umgebung oder Atmosphäre entstanden sind. Solche Depressionen
verlaufen in der Regel schwerer und erfordern in der Therapie eine Arbeit im "Hier und
Jetzt", die die Erfahrung des Mangels erst einmal ermöglicht. Statt regressiven
Wiederbelebens des Damals steht hierfür die aufbauende und "nährende" Funktion – zu
mindestens am Anfang der Therapie – im Vordergrund.
Die Bedeutung früher Erfahrungen in der ElternKindSituation
für die Genese und
Therapie der Depression kann kaum hoch genug eingeschätzt werden. Wir können aber
mit dem Petzold’schen Unterscheidungsmodell auch diejenigen Depressionen erfassen,
die aufgrund von Störungen in späteren Lebensphasen entstehen.
Auch die Adoleszenz muss als Phase angesehen werden, in der der Heranwachsende
ausgesprochen konfliktträchtiges "Neuland" betritt. Die ganze Entwicklungsstufe steht
unter der Überschrift: Abgrenzung, Rückzug und Neuorientierung. Eine
realitätsgerechte Betrachtungsweise der Umwelt "entthront" die Eltern, sie sind nicht
mehr die allgegenwärtigen und tröstenden Begleiter aus der Kinderzeit. Oft sind die
Abgrenzungen eher passiv: d. h. sie sind einfach durch die Veränderung der Interessen
und des Verhältnisses zum Körper bedingt. Zu dem Gefühl des Fremdseins mit sich
selbst kommt in der Regel die erhöhte Empfindlichkeit im Kontakt mit anderen und
erfordert Rückzug und Besinnung. Diese hierdurch entstehende "Einsamkeit" ist
notwendig, gibt sie dem Jugendlichen doch Zeit, die realen Erlebnisse mit seinen
eigenen Erfahrungen in Verbindung zu setzen, zu überdenken und eigene Reaktionen zu
entwickeln, die in einem Bezug zur Realität stehen.
Häufig mündet die Abgrenzung in Konflikte mit den Eltern ein, und führt zu
Auseinandersetzungen mit gesellschaftlichen Normen und Regeln. Im Prinzip sind in
dieser Phase ebenso Traumatisierungen möglich wie in der frühen Kindheit. Zu den
möglichen traumatischen Erfahrungen zählen potentiell ein ständiges Kritisiertwerden
durch die Eltern wegen der Unordnung, des Aussehens, des Verhaltens usw. Aber auch
anhaltende Lernstörungen, die einen Leistungsabfall zur Folge haben, ablehnende
Bescheide bei der Suche nach einer Lehrstelle und Ausgeschlossenwerden
aus der "peer
group" können eine Krise provozieren. Während dieser Lebensphase steigt die
Suizidrate im Vergleich zum früheren Verlauf der Kindheit sprunghaft an. Im
allgemeinen jedoch werden "Risse" im Identitätserleben nicht sofort prägnant. Es
schließt sich eher nochmals eine Art "Latenzphase" an, in der der Heranwachsende neue
Lebensmöglichkeiten prüft und findet.
Der Gestaltansatz bezieht sich auch auf die bilanzziehenden Lebensphasen der
Lebensmitte und des Alters: Man erkennt allmählich, dass bestimmte Ereignisse, Wege
nicht mehr rückgängig zu machen sind, dass manches nicht mehr nachgeholt und wieder
anderes einfach nicht mehr erlebt werden kann (z. B. Schwangerschaft, neue
Ausbildung). Eine weitere, oft durch Krisen gekennzeichnete Phase tritt in den Jahren
um die sechzig auf. Der Mensch erkennt allmählich, dass er sterben wird; dennoch
versucht er, diesem letzten Lebensabschnitt einen Sinn zu geben.
Wenn man Depression als Reaktion auf einen Verlust oder auf ein "Niegehabthaben"
betrachtet, dann kann sie meines Erachtens entlang des gesamten Lebenslaufes
ausbrechen. Die Erlebnisse der Trennung gehören zu den ersten Lebenserfahrungen, z.
B. erlebt das Kleinkind das Zubettgehenmüssen
und Einschlafen als Trennung. Führen
sie zu einem dauerhaften Verlust, z. B. dem eines geliebten Menschen oder einer
wichtigen Position, ist die sich anschließende Trauer und deren Verarbeitung von
zentraler Bedeutung. Die Trauer gleicht in ihrem Erscheinungsbild in vielem der
Depression: Hilflosigkeit angesichts des Schicksals; resignative und aggressive Impulse;
mangelndes Interesse an der Umwelt; eingeschränkte Sexualität. Wie FREUD sagt, zeigt
sich jedoch nur bei der Depression die Selbstentwertung, die gegen das Selbst gerichtete
Aggression: "Bei der Trauer ist die Welt arm und leer geworden; bei der Melancholie ist
es das Ich selbst."
Die Übergänge von üblichen, vitalen Lebensreaktionen bis zu schwer depressiven
Reaktionen sind fließend. Für die Psychotherapie – im speziellen die Gestalttherapie ist
es hilfreicher, die Depression durch das Verhalten und das subjektive Erleben der davon
Betroffenen zu beschreiben. Dieses Vorgehen orientiert sich mehr an der
Phänomenologie des Depressiven und weniger an seinen unbewussten Konflikten.

Quellen:
www.gestalttherapie.at/downloads/riess_fischer_depression.pdf

Literatur für Betroffene und Angehörige
Studie: Antidepressiva haben kaum Wirkung
Antidepressiva wirken nicht besser als Placebo
Gesundheitsbehörden warnen vor Antidepressiva
Hell Daniel, Welchen Sinn macht Depression? Ein integrativer Ansatz
Die Neue Medizin der Emotionen. Stress, Angst, Depression:Gesund werden ohne Medikamente
Günter Niklewski et al, Depressionen überwinden
Bevor der Job krank macht

Wenn das Leben zur Last wird
Depressionen - Was Sie wissen sollten. Antworten auf die häufigsten Fragen
Wenn der Mensch, den du liebst, depressiv ist. Wie man Angehörigen oder Freunden hilft.

Schatten auf der Seele. Wege aus Depression und Angst.

Sie haben es doch gut gemeint. Depression und Familie

Und wo bleibe ich? Leben mit depressiven Menschen. Ein Leitfaden für Angehörige.

Seelenfinsternis. Die Depression eines Psychiaters.

Depression. Wege aus der dunklen Nacht der Seele

Depression. Die verkannte Krankheit

Grundformen der Angst. 4 CDs . Gekürzte Lesung

Depressiv?

Depression

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Links:
Depression: Antidepressive Medikation (Fragen und Antworten)


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