Psychotherapie: Welche Methode ist die wirksamste?
Die Frage nach der "besten, wirksamsten Methode", und dann noch so allgemein gefragt, ist etwa so obsolet, wie wenn wir fragen würden, welches wohl "das beste Wetter" sei: Regen, Schnee, Gewitter, Sonnenschein?
Manchmal brauchts dringend Regen nach einer Sonnen- und Hitzeperiode, ein Gewitter fegt die Schwüle weg und auch Schneefall hat seine Berechtigung. Mit 365 Sonnentagen ohne Regen pro Jahr wären die Schweiz oder Europa eine unfruchtbare Wüste, und das Leben hier wäre ziemlich schwierig...
Ganz abgesehen davon, dass die Geschmäcker, Vorlieben und Bedürfnisse von uns Menschen eben sehr verschieden sind...

Die "beste Methode / den besten Ansatz" gibt es so nicht,
auch wenn "Gurus" und Ausbildner von gewissen Ansätzen (z.B. aus dem verhaltenstherapeutischen Bereich sowie aus der Schule der kognitiven Verhaltenstherapie) (siehe auch "Forschung und Mythen der Psychotherapie" immer wieder das Gegenteil behaupten.
Sie tun es, ganz banal, um den in ihrer Methode praktizierenden Therapeuten, und schlussendlich sich selbst und ihrer Institution... mit solchen "wissenschaftlichen" Aussagen auf dem "Markt" monetäre Vorteile zu verschaffen, und um Macht zu sichern...

Grundsätzlich gilt: Alle Psychotherapie-Methoden wirken... (vgl.: "Alle Psychotherapie-Methoden wirken" oder Journalmed).
Je nach Situation eines Menschen können durchaus verschiedene Ansätze sinnvoll und nützlich sein.
Die Psychotherapieforschung zeigt auch immer wieder, dass nebst spezifischen "Schulinterventionen", spezifischen Techniken und Methoden der Psychotherapie grundsätzliches wie
- die therapeutische Beziehung und die Qualität des therapeutischen Arbeitsbündnisses
- die emotionale Beteiligung des Patienten und seine Hoffnung auf Besserung
- ein "heilendes Setting" in der Therapie
- supportive Faktoren (wie z.B. emotional korrigierende Erfahrungen innerhalb und ausserhalb der Therapie)
- eine Ziel- und sinnvermittelnde Behandlungstheorie oder eben ein "rationales, konzeptionelles Programm oder Mythos, das eine
plausible Erklärung für die Symptome des Patienten bereithält..."
- „ein Ritual oder ein Verfahren, dass die aktive Beteiligung von Patient wie Therapeut erfordert und von dem beide glauben, dass es das Mittel ist, die Gesundheit des Patienten wiederherzustellen.“
(vgl. Literaturhinweise)

Je nach seiner ganz persönlichen, subjektiven Geschichte, geprägt von dem WAS und WIE sie gelernt haben und ihren ganz subjektiven Erfahrungen, brauchen Menschen mit gleichen Störungen / vergleichbaren Diagnosen, in ihrem aktuellen Kontext oft ganz unterschiedliche Personen, Ansätze und Zugänge.
Auch wenn es gewisse Kreise immer wieder gebetsmühlenhaft wiederholen:
Es trifft nicht zu, dass bei einer Störung im Verhalten bei jedem Menschen ein verhaltenstherapeutischer Ansatz am nützlichsten ist...
Es trifft nicht zu, dass für eine vergewaltigte Frau immer eine Therapeutin (weiblich) am nützlichsten und angesagt ist...
Verallgemeinerungen treffen daneben...


Allenfalls kann man ernsthaft sagen, das TherapeutInnen, welche mit einem integrativen Ansatz arbeiten, wohl eher einen breiteren Zugang bei ganz verschiedenen Menschen und Indikationen finden, als Therapeuten, welche aufgrund ihres fachlichen Hintergrundes nur den einen Zugang über den einen "Kanal" ihrer Methode / Schule haben...
Da kann dann ein "nur rein" verhaltenstherapeutisches, kognitives, transaktions-, psychoanalytisches, systemisches emotionsorientiertes oder esoterisches Vorgehen und Instrumentarium / ein "rein" verhaltenstherapeutisches, kognitives, transaktions-, psychoanalytisches, systemisches, emotionsorientiertes oder esoterisches Erklärungsmodell dann mal [je nachaktuelle Situation des Patienten (Lebenskontext, Erfahrungskontext, Leiblichkeit, soziales Netzwerk, Arbeitskontext, materieller Kontext, etc.) / Symptomatik des Patienten / Indikation zu einer Therapie / Ziele des Patienten / Ausbildungs-, weiterbildungs- und praktischer (Erfahrungs)-Hintergrund des Therapeuten / persönliche Aspekte der therapeutisch tätigen Psychotherapeutin] mal sehr kurz greifen, und in seinen Möglichkeiten schnell arg beschränkt sein...

So kann man hier allenfalls von einem "mehr oder weniger geeigneten" reden, wenn wir folgende (natürlich nicht abschliessend genannten) Parameter berücksichtigen:
- aktuelle Lebens-Situation des Patienten (Lebenskontext, Erfahrungskontext, Leiblichkeit, soziales Netzwerk, Arbeitskontext, materieller Kontext, etc.)
- Symptomatik des Patienten
- Indikation zu einer Therapie
- Symptomverständnis und Vorgehenswünsche / Vorgehensvorstellungen der Patientin / des Patienten
- Ziele des Patienten
- angebotenes Setting / Rahmenbedinungen / Struktur des Therapeuten
- Ausbildungs-, Weiterbildungs- und praktischer (Erfahrungs)-Hintergrund des Therapeuten
- persönliche Aspekte der therapeutisch tätigen Psychotherapeutin
Also alles in allem ziemlich komplexe Zusammenhänge, um gültige Aussagen zu machen...
Und genau aus demselben Grunde sind "Therapievermittlungen", wie sie einzelne Verbände kennen, sicher NICHT oder nur ganz marginal (so "Handgelenk mal Pi") auf den konkreten Patienten abgestimmt, weil diese nur einfach Adressen von TherapeutInnen liefern, welche auf der jeweiligen Liste des Verbandes gerade "freie Plätze" gemeldet haben...

Aus diesem Grunde arbeite ich übrigens in meinem Angebot Therapieberatung nicht einfach mit TherapeutInnen-Listen und Weiterweisungen, sondern
1. mit 3-5 Sitzungen zur Standortbestimmung und Motivationsförderung, um immerhin einiges zu Symptomatik, Hintergrund, aktuellem Lebenskontext und Zielen des Therapie-Suchenden abklären und abschätzen zu können
2. mit meinem breiten Ansatz- / meiner breiten Methodenkenntnis im Therapiebereich
3. mit TherapeutInnen-Listen die ich in den bald 20 Jahren meiner Tätigkeit selbst erstellt habe.

 

Hinweise auf Online-Artikel:
Frauchiger M., Psychotherapeutische Modelle und ihre Wirkfaktoren. Interventionen von sechs psychotherapeutischen Verfahren im Vergleich.
Salutogenetische Psychotherapie - Ressourcenorientiertes Vorgehen aus der Sicht der Positiven Psychotherapie (Dr. med. habil. Hamid Peseschkian)

Literaturhinweise:
Bastine, R. (1990). Die Überwindung psychotherapeutischen Schulendenkens - Hinder­nisse und Hoffnungen. In H. Lang (Hrsg.), Wirkfaktoren der Psychotherapie (S. 209-218). Heidelberg: Springer-Verlag.
Lang, H. (Hrsg.). (1990, 1994). Wirkfaktoren der Psychotherapie, 3. Aufl. im Druck. Würzburg: Königshausen & Neumann.
Lang, H. (1997). Language and the Unconscious. Atlantic Highlands, N.J.: Humanities Press International.
Lang, H. (1999). Wirkfaktoren der Psychotherapie. In: Studt, H. H., Petzold, E. R. (Hrsg.). Psychotherapeutische Medizin. Psychoanalyse – Psychosomatik – Psychotherapie (S. 56-62). Berlin: de Gruyter.
Lang, H. (2000). Das Gespräch als Therapie. Frankfurt a. Main: Suhrkamp.

 

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